Nicht selten kommt es vor, dass Menschen meine Arbeiten betrachten und sich fragen, wie diese wohl entstanden sein könnten. Für solche und für alle weiteren Interessierten folgt an dieser Stelle eine kleine Einsicht in meine Arbeitswelt.
Wenn Sie an ein klassisches Atelier denken, kommen Ihnen mit großer Wahrscheinlichkeit Räume riesigen Ausmaßes vor Augen; ein farbenfrohes Spektakel voller Pinseltöpfe, Leinwände und einem besessenen Künstler inmitten all dessen? Und weil der Künstler so berühmt ist, kommen die Mal-Utensilien einmal in der Woche direkt vom Großhändler, mit einem LKW, nachts?
Vielleicht sollten Sie dann einmal umdenken, denn so unterschiedlich die Künstler, so verschieden sind auch ihre Arbeitsbereiche. Aber wenn Sie die Pinsel gegen Stifte austauschen, die Mal-Halle gegen den Schreibtisch und die Leinwände gegen einen Zeichenschrank, dann kommen Sie der Sache schon näher.
Um die Fülle meiner Ideen in geordnete Bahnen zu lenken ziehe ich ein aufgeräumtes Umfeld dem Chaos vor. Ich mag es, wenn Stempel und Holzlettern, Ersatzminen und Anspitzer, Bunt- und Filzstifte sich in unmittelbarer Griffweite befinden. Wenn ich in kreativen Prozessen erst lange nach meinem Material suchen muss, verpufft die Energie vielleicht in unnötiger Ablenkung.
Meine „Bleimine“ ist nicht nur ein Arbeitsraum, sie ist vielmehr ein Rückzugsort – ein gemütlicher kleiner Raum mit einem großen Schreibtisch und einem weiten Blick.
Papiere in unterschiedlichsten Ausführungen, Illustrationen von aktuellen Projekten, Skizzenbücher und andere Materialien verbergen sich in den ebenso weiten Abmessungen meines Zeichenschranks. Man sollte bereits im Vorfeld wissen, wie sich die verschiedenen Papiersorten auf das jeweilige Zeichengerät auswirken.
Hat man nach langer Suche und etlichen Tests einen geeigneten Untergrund gefunden, sollte man sich davon gleich einen ganzen Stapel zur Seite legen, denn falls er irgendwann nicht mehr produziert wird, fängt die Suche von vorne an und es ist keineswegs gesagt, dass sie erfolgreich sein wird.
In der einen Ecke stehen Ausstellungsrahmen, in einer anderen wachsame Beobachter aus einer anderen Zeit, stets darauf bedacht, meinen Augen ein wenig Abwechslung zu bieten, falls der gedankenversunkene Blick einmal wieder durch die Mine streift.
Da mich stets die Schwarz-Weiß-Grafik interessierte, versuchte ich diese Affinität für das Erarbeiten eines möglichst authentischen und unverwechselbaren Stils zu nutzen. Die Vielseitigkeit und Einfachheit des Instruments Bleistift führte mich zurück zu dieser ursprünglichen und puristischen Art des Zeichnens. Realitätsnahe Details in Verbindung mit zahllosen Verfremdungen lassen irritierende Bilder entstehen, skurril und häufig umstrahlt von einer unheimlichen Ruhe. Diese Ruhe soll Raum geben für eigene Fantasien und sie soll anregen zum Weiter- und Mitdenken. Meine Bilder sind Einladungen. Sie sollen entführen und entdecken lassen.
Für meine Bleistiftzeichnungen benutze ich ausschließlich einen TK-Minen-Bleistift mit Minen des Härtegrades HB. Besonders feine Spitzen sind nicht nur für alle Details und Abstufungen, sondern auch für die typischen dunklen Flächen der Hintergründe unerlässlich. Diese werden in einem langwierigen Prozess Schicht um Schicht aufeinander gelegt.
Um die Bleistiftminen so fein wie nur möglich anspitzen zu können, verwende ich einen Drehanspitzer mit großer Reibe-Raspel. Die Filter dienen dazu, die Spitze zu säubern.
Die monochrom angelegten Buntstiftzeichnungen bedürfen lediglich eines Buntstiftes und eines herkömmlichen Anspitzers.
Neben einigen Linealen benutze ich bisweilen auch Papierwischer, um zusätzliche Nuancen in den Grauwerten zu erhalten. Je nachdem, ob ich erst den Graphitstaub ins Papier reibe und dann darüber zeichne oder umgekehrt, ergibt das auch Grauwerte und Strukturen unterschiedlichster Anmutung.
Die Lineale verwende ich sehr achtsam und nur, wenn die Zeichnung eine ruhige Linienführung erfordert. Gerade bei durchhängenden Seilen beispielsweise erzielt man mit einem Lineal eine optisch bessere Spannung.
Als Papier für die Bleistifttechnik verwende ich ein spezielles Zeichenpapier mit einer Oberfläche, die häufiges Ausbessern zulässt. Zwei verschiedene Arten von Radiergummis stehen hierfür zur Auswahl. Das Papier für die Buntstifttechnik ist wesentlich empfindlicher, weil ich hier mehr Wert auf die Körnung lege.
Zusätzlich kommt hier und da auch transparentes Zeichenpapier zur Anwendung. Es bietet mir die Gelegenheit, mich für die Position kleinerer Details rascher entscheiden zu können.
Zum Schutz gegen Verwischen arbeite ich in der Zeichnung stets von oben nach unten oder von links nach rechts. Somit vermeide ich, mit dem Handballen über bereits ausformulierte Partien zu wischen. Zusätzlich werden alle Zeichnungen mit speziellem Papier geschützt.
Alle Ideen und Einfälle, alle Beobachtungen und Variationen werden in einem Skizzenbuch festgehalten. Es kann vorkommen, dass sich für ein einzelnes Buchprojekt etwa einhundertfünfzig Seiten daraus füllen. Szenerien und Einfälle werden kurz skizziert und auf ihre Tauglichkeit überprüft.
Zu sehr ins Detail gehe ich in der anschließenden Vorzeichnung jedoch nicht, denn ich brauche immer wieder die reine Fläche und damit die Möglichkeit, reagieren zu können, während der langen Phase des Reinzeichnens.
Insgesamt wurden für das erste Buch „Es war finster und merkwürdig still“ etwa vierhundert Bleistiftminen verbraucht. Die Dauer der Herstellung betrug gut drei Jahre.
Die Zeichnungen für die Buntstift-Illustrationen des Titels „Die Nachtwanderin“ schlugen mit lediglich neunzig Buntstiften der Farbe Indigo zu Buche.
Die Schrift wird bis ins Detail sorgfältig ausgearbeitet, so dass sie in ihrer Gestaltung stets auch einen inhaltlichen Bezug zum jeweiligen Buchkonzept aufweist. Alle Fragen bezüglich der Typografie werden somit von Anfang an in das Gestaltungskonzept eines Buchprojektes aufgenommen, um ein möglichst homogenes Gesamtkunstwerk zu erschaffen. Schriftgestaltung und Bilder sollen sich gegenseitig in ihrer Wirkung unterstützen.
In der Druckerei werden dann die letzten Einstellungen überwacht, denn selbst und gerade hier entscheidet sich, wie die Arbeit schließlich zur Geltung kommt.