Eine Probeillustration
Beginnen möchte ich die Führung mit einem Blick auf ein kleines Juwel, das einst aus der Bleimine geschürft wurde. Jedenfalls ist es das für mich und wieder einmal ein Beleg dafür, das Irrwege nicht selten schöne Erfahrungen und „Mitbringsel“ vorbringen können, die beim direkten Wege nicht entstanden wären.
Bei den »Nachtblasen« handelt es sich um eine Probeillustration zur „Nachtwanderin“, bei der ich sehen wollte, wie sich eine gezielt und partiell eingesetzte Farbigkeit in Verbindung mit den monochromen Bildern verträgt.
Die Szenerie basiert auf einem Foto, das ich in Südengland gemacht habe. Eine unscheinbare Szene. Ein nicht besonders schönes Foto. Und dennoch wollte irgendetwas an diesem Haus mir eine Geschichte erzählen. Vielleicht waren es diese beiden typisch britischen Schornsteine, die abwechselnd um Aufmerksamkeit rangen. Um hier nicht durcheinander zu kommen, nummerierte ich sie schließlich und schon schälte sich der Hintergrund dieses Ensembles heraus…
Das Besondere an ihnen ist folgende Begebenheit: In dem Haus betreiben zwei Schwestern zu nächtlichen Stunden zwei kleine Backstuben. Einmal in jeder Woche fertigen sie mit den außergewöhnlichsten Zutaten aus aller Welt die feinsten Spezialitäten. In jeder geraden Wochenzahl stehen süße Leckereien auf dem Backzettel, an den ungeraden Wochenzahlen sind es die salzigen und würzigen Rezepte. Da diesen Spezialitäten oft eigentümliche Verfahren und geheime Lebensmitteltests vorangehen, lassen sich mitunter neben den unverschämt appetitlich duftenden Rauchschwaden auch manchmal andersartige Ablüftungen erkennen, die zu den unmenschlichsten Zeiten den Schornsteinen entweichen. Doch meistens sind es nur die Überbleibsel jener Ausdünstungen die hier und dort in Form von zerplatzten Teigblasen in den Gärten der Nachbarn hängen bleiben und jedem Fremdling ein nachdenkliches Runzeln in die Stirn zeichnen, da ansonsten nichts auf etwas Besonderes hindeutet. Einzig die verschmierten Naschkatzen-Mäuler der kleinen Jungen und Mädchen der Mc Pherson Familie, die an solchen Tagen im Morgengrauen wieder im Nachbarhaus verschwinden, deuten dann darauf hin, dass nicht jeder so ahnungslos scheint, wie er vorgibt.
Da der Titel „Die Nachtwanderin“ dann jedoch aus verschiedenen Gründen lediglich monochrom und in einem dunklen Indigo-Farbton gezeichnet wurde und sich zudem die Geschichte ohnehin in eine ganz andere Richtung entwickelte, fiel dieses Bild heraus und wurde somit eine Einzelstudie, die nie in den Genuss kam, eine Buchillustration zu werden.